Fürstenwalde: Stephan Wende, Vorsitzender der Fraktion Die Linke in der Stadtverordnetenversammlung Fürstenwalde – 5.12. 2024 Haushaltsrede
Stephan Wende, Vorsitzender der Fraktion Die Linke in der Stadtverordnetenversammlung Fürstenwalde, hat in der SVV am 5.12. 2024 folgende Haushaltsrede gehalten:
Sehr geehrte Damen und Herren,
Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrter Herr Böge,
„alle Jahre wieder …“ heißt es in der Weihnachtszeit.
„Alle Jahre wieder ..“ scheint mir häufig das Motto für meine Haushaltsreden.
Und in diesem Jahr passt es auch – führen wir doch die Haushaltsdiskussion in der Weihnachtszeit.
Unser Lob hierfür und unsere Anerkennung sei Ihnen gewiss! Der Haushaltsbeschluss noch in 2024 sichert Planungssicherheit und fördert die Verlässlichkeit der Stadt gegenüber ihren Partner*innen, z.B. den Empfänger*innen von kommunalen Zuwendungen.
Zu Beginn möchte ich mich bei Ihnen, lieber Herr Böge und Ihrem Team, recht herzlich für Ihre engagierte Arbeit bei der Erstellung des Haushaltes 2025 bedanken.
Bedanken möchte ich mich auch dafür, dass sie bereit gewesen sind, in Ausschüssen und in den Fraktionen Rede und Antwort zu stehen.
Wobei ich es – alle Jahre wieder! – weiterhin bedaure, dass das Team Finanzen die Chance nicht nutzt oder nicht nutzen darf, anlässlich der Haushaltsdebatte sich zumindest einmal im Jahr mit den meist gerne geldausgebenden Fachausschüssen in die direkte Diskussion zu begeben.
Ich bleibe dabei – wie auch in den beiden Beratungen des Stadtentwicklungsausschusses ausgeführt – gerade unserem Ausschuss würde es guttun, wenn wir die stadtentwicklungspolitischen Ziele mit dem finanzwirtschaftlich Machbaren und flankiert durch das fördermitteltechnisch Mögliche in einer Diskussion zusammenführen.
So, wie wir es jetzt machen, fehlt immer irgendein Partner für eine fundierte Debatte, an deren Ende klare Ergebnisse und Verabredungen stehen.
Aber ich vermute, – da ich Ihnen unterstelle, dass sie klug genug sind zu wissen und wertzuschätzen, worin der Mehrwert meines Vorschlags besteht -, dass dies ist einfach nicht gewollt ist – und bedaure das.
Strittig ist seit Jahren in der Haushaltsdiskussion die Höhe der Kreisumlage. Mit der in diesem Jahr geplanten liegt der Landkreis Oder-Spree im Brandenburg-Vergleich am unteren Ende.
Trotz alledem gibt es Bürgermeister und Kämmerer – allen voran die Vertreter der Stadt Fürstenwalde – die die Absenkung der Kreisumlage fordern.
Das ist, wenn ich nur die Fürstenwalder Brille aufsetze, sicher auch ein schlauer Gedanke, wenn es gilt, die Haushaltsmittel der Stadt zusammenzuhalten.
Aber ich stelle mir hier schon ganz vorsichtig mehrere Fragen:
- Wie legitim ist es, Haushaltsmittel angeblich zusammenzuhalten, die letztendlich aber nicht ausgegeben, sondern maximal wieder zur Absenkung des Kassenkredits genutzt werden.
Also konkret nicht für notwendige Sanierungen in kommunalen Einrichtungen verwendet werden, womit die Stadt ja durchaus auch als Auftraggeber und Motor für die regionale Wirtschaft fungieren könnte.
Oder zur Finanzierung des Gemeinwesens, also dem Teil unserer Gesellschaft, für den die Bürgerinnen und Bürger durchaus zu Recht Steuern zahlen und zu Recht Leistungen erwarten.
- Wie legitim ist es eigentlich, laut die Absenkung der Kreisumlage zu fordern und gleichzeitig in dieser Diskussion auszublenden, wie viele kreisliche Mittel direkt – also zum Beispiel durch Investitionen des Landkreises wie in den Schulcampus – oder indirekt – also zum Beispiel durch teure Bahnkosten im Schwapp für das kreisliche Schulschwimmen – nach Fürstenwalde fließen.
Nun höre ich schon das vertraute Argument der BFZ-Fraktion und Ihres Bürgermeisters, wenn die Mittel von Anfang an in der Stadt verblieben, dann könnte man sich den Umweg via Kreisumlage schenken.
Aber seien wir doch mal ehrlich, den Schulcampus gäbe es nicht, wenn die Stadt dafür mit ihren eigenen Mitteln alleine zuständig wäre.
Ich glaube, dieser sicher komplizierte Umweg über die Kreisumlage sichert Gelder für Fürstenwalde deutlich besser als diese Mittel im Haushalt zu vereinnahmen und am Jahresende in die Tilgung von Schulden zu stecken.
- Und ganz nebenbei – ich weiß, das ist nicht unbedingt das Lieblingsthema vom BFZ und Bürgermeister – ist diese Diskussion, die wir da führen, eine elitäre, eine Luxusdiskussion, die sich eher finanzstarke und leistungsstarke Kommunen leisten können. Die Kreisumlage sichert, dass wir auf die Art und Weise in der Lage sind, innerhalb des Landkreises als starke Kommunen solidarisch mit schwachen Kommunen zu sein.
Wenn wir als starke Kommune die Diskussion um die Höhe der Kreisumlage möchten und trotzdem das Wohl und Wehe des gesamten Landkreises im Blick haben, dann müssten wir eher über eine differenzierte Kreisumlage reden als jahrein, jahraus eine pauschale prozentuale Absenkung zu fordern. Falls Sie, lieber Herr Böge, bei diesem Thema Partnerinnen und Partner brauchen – in der Fraktion Die Linke finden Sie sie.
Der von ihnen vorgelegte Haushalt ist aus unserer Sicht ein grundsolider, technisch sauberer Haushalt.
Wenn es nur darum ginge, könnten wir es uns hier und heute leichtmachen und ihrem Haushalt zustimmen.
Dass wir – und da waren Frau Fiedler und ich uns schnell sicher – diesem Haushalt nicht zustimmen werden, liegt in einer alten Weisheit zugrunde, die ich – alle Jahre wieder! – zitiere:
„Der Haushalt ist das in Zahlen gegossene Leitbild der Entwicklung einer Gemeinde.“
Und mit jedem Haushalt mehr in der Ära Matthias Rudolph verschwimmt ein möglich vorhandenes Leitbild zur Unkenntnis.
Den wenigen im Haushalt erkenntlichen Leit- und Zukunftsprojekten des Hauptverwaltungsbeamten und seiner Verwaltung sind aber drei Dinge eigen:
- in aller Regel wurden diese nie, kaum oder zumindest viel zu spät diskutiert und fachlich mit der Stadtverordnetenversammlung verabredet.
Die in der Haushaltsklausur im Januar 2023 vollmundig, langatmig mündlich vorgetragene Kitaentwicklungskonzeption (oder Neubau- und Sanierungsplanung) des Bürgermeisters erwarten wir auch heute noch …
- Vielfach sind es nicht gewollte oder zumindest deutlich umstrittene Projekte, die definitiv nicht entschieden sind
- wenn ich zum Beispiel an ihren zweifelhaften und von uns abgelehnten Plan zur Umnutzung des Festsaals denke,
- wenn ich an die Debatte zum Bürgerbüro denke oder
- auch die Debatte um SurfEra in der Vergangenheit, die so viel Zeit und Kapazitäten gebunden hatte, oder auch die aktuelle Sankt- Nimmerleins-Diskussion zur Zukunft des Verladebahnhofs oder die schienengebundenen Entwicklung von Industrie- und Gewerbestandorten in der Stadt.
Ein Blick in den Haushalt zeigt, dass all‘ diese Debatten kaum Niederschlag in der mittelfristigen Finanzplanung gefunden haben.
Das gilt auch für die kommunale Wärmeplanung, für Schlussfolgerungen aus dem Straßenkataster und den darin aufgezeigten und notwendigen Handlungsoptionen. Gerade beim letzteren gilt: Außer Spesen nichts gewesen. Oder: Jetzt haben wir teuer schwarz auf weiß, was wir schon vorher wussten …
- Finanziert über Fördermittel, deren Status unklar ist, also
- wurde bisher ein Förderprogramm erstmal gefunden? oder
- gibt es schon einen Antrag? Sind Förderkulissen entwickelt oder beschrieben? Daran kranken ja zumindest im Moment alle Erwartung an Fördermittel aus dem Programm Lebendige Stadtzentren… oder
- gibt es schon einen Bescheid?
Wir werden mit diesem Haushaltsentwurf vielfach Finanzmittel binden, ohne wirklich zu wissen, ob es Fördermittel oder in welcher Höhe es sie gibt – , also konkret,
was sind die fördermittelfähigen Ausgaben?
und daraus resultierend
Wie hoch ist der kommunale Eigenanteil am Förderprogramm? und
Wie hoch ist der kommunale Eigenanteil hinsichtlich einer möglichen Defizitfinanzierung?
Und, kleines Schmankerl am Rande, während es völlig legitim sein soll, unklare, nicht beschiedene Fördermitteleinnahmen und -ausgaben im Haushalt zu planen, fehlen natürlich Ausgaben, von denen wir aus heutiger Sicht leider vermuten müssen, dass sie anfallen werden, wie z.B. Rückzahlungen an den Zweckverband.
Was auf der einen Seite völlig legitim ist, wird also auf der anderen Seite abgelehnt, weil es ja noch nicht letztendlich entschieden ist.
Und nein, es ist nicht richtig, alle diese fördermittelfinanzierten Projekte als Annahme in den Haushalt zunehmen, um darzustellen, dass man für den Fall der Fälle einer Zuwendung den kommunalen Eigenanteil finanzieren könne.
Es ist nicht richtig, weil es hier und heute kommunale Mittel bindet, die wir an anderer Stelle, u.a. für die Sanierung in Kitas, Horte, Jugend- und Sozialräume so notwendig einsetzen könnten.
Instrumente wie z.B. ein Nachtragshaushalt oder ein Bindungsbeschlusses der Stadtverordnetenversammlung oder Haushaltsverpflichtungsmächtigungen gibt es immerhin auch noch …
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
immer mal wieder gibt es aus der Presse- und Öffentlichkeitsabteilung der Verwaltung scheinbare Erfolgsmeldungen, die bei näherer Betrachtung nur vage Annahmen oder auch noch sehr, sehr weit am Horizont sich befindende Projekte und Ansiedlungen sind, die zur Realisierung sicher engagierte Begleitung und Unterstützung durch die Verwaltung und sicher auch die eine oder andere vorbereitete kluge, richtungsweisende Grundsatzentscheidung benötigen.
Doch wenn ich Angst habe, etwas falsch zu machen, sehr geehrter Herr Rudolph, und sowieso wenig Vertrauen in die Position Dritter, entscheide ich selten; und so liegen viele, zu viele Dinge auf eine Freigabe und Unterschrift wartend im Bereich des Bürgermeisters und liegen und liegen…
Ein wenig mehr Selbstbewusstsein und Nutzen der eigenen Wirkmacht würde ich unserem Bürgermeister und damit uns allen wünschen.
Haben wir doch mal Mut und den Arsch in der Hose, unsere Geschicke auch wieder selbst in die Hand zu nehmen. Und Herr Bürgermeister, Sie werden wieder und wieder scheitern, wenn sie glauben, dieses im Alleingang und ohne Partnerschaften umzusetzen.
Nun ist es in der Haushaltsdiskussion sicher auch legitim, darzustellen, welche Leitprojekte aus eigener Sicht für den Haushalt und die Zukunft der Stadt wichtig sind.
Da ist sicher zum einen die Frage, wie wir den – von rechts außen geleugneten Klimawandel – durch den nachhaltigen Umbau der Stadtgesellschaft begegnen können.
Da geht es um kleine Maßnahmen wie Grünzüge und Mikroklimazonen für ein gesundes Stadtklima, z.B. als Hitzeschutz für die Älteren unserer Stadt, aber auch um Unwetterschutz.
Da geht es aber auch um kommunale Wärmeplanung, da geht es um unseren innerörtlichen Verkehr und seine Vermeidung (Stichwort Mobilitätskonzept), da geht es grundsätzlich um deutliche Einsparung von Energie.
Da geht es zum anderen sicher auch um das Zukunftsthema Wachstum der Stadt, um das Thema Fürstenwalde als Motor in unserer Region.
Wir Linke würden in diesem Zusammenhang sicher nach Kooperationsprojekten mit den Umlandgemeinden suchen, wir würden unsere Rolle in @see und als regionaler Wachstumskern selbstbewusst und ohne Egoismus ausgestalten.
Wir würden engagiert mit den Umlandgemeinden versuchen, die Teslaentwicklung für Arbeiter*innen und Nachbar*innen und nicht für Musk zu gestalten.
Ganz klar würden wir Wohnbauquartiersentwicklung diskutieren und die Entwicklung von innerstädtischen Industriebrachen vorantreiben; wir würden nicht nur jahrelang vom 40.000+X – Einwohner*innen-Ziel reden, sondern dieses Ziel angehen!
Dazu gehört auch die notwendige Diskussion zur Kooperation, vielleicht auch Gebietsreform „Fürstenwalde – Umland“, für die Zeiten von sich neubildenden Landesregierungen genutzt werden müssen …
Und ja, ich weiß, dass wir in einem Bereich – nämlich dem Quartier Spreevorstadt – jetzt endlich einen sehr guten Qualitätsschritt vorwärts gemacht haben, aber – mit Verlaub – wir sollten uns nicht mit fremden Federn schmücken, sondern der ansonsten vielfach geschmähten GIP und dem privaten Investor dankbar sein, dass sie drangeblieben sind und allen Widrigkeiten zum Trotz dieses Projekt vorantreiben.
Bei anderen Entwicklungsprojekten sieht es bedauernswerterweise gerade arg trübe aus.
Nicht aus alleiniger Schuld der Stadt – ich möchte nicht missverstanden werden. Um diese zu retten oder neu zu starten, braucht es gemeinsame Anstrengungen, Austausch, Lösungsideen und Handlungsstrategien.
In diesem Zusammenhang, und man möge es mir verzeihen, dass ich da explizit die 2. Etage des Rathauses anspreche.
Das ist allein der Tatsache geschuldet, dass ich als Fraktionsvorsitzender so lange und viel zu gerne im Bereich Stadtentwicklung und Stadtplanung mitwirke.
Ich möchte – alle Jahre wieder! – daran erinnern, wie wichtig es ist, diesen Bereich personell und fachlich zu stärken und methodisch und inhaltlich freie Hand zu geben.
Hier ist das Zukunftslabor der Stadt, hier arbeiten die Weißkittel und kreativen Köpfe, die alles brauchen, nur keine Besserwisserei und kein Zaudern, Verzögern, Verhindern.
Und auch einen dritten Zukunftsbereich möchte ich benennen: Unser Gemeinwesen, unsere soziale, sportliche, kulturelle und Bildungsinfrastruktur, das engagierte und vielfach ehrenamtliche Fürstenwalde.
Ein Bereich mit Gestaltungsmacht für die so wichtigen sog. „weichen Standortfaktoren“. Ein Bereich, in dem entschieden wird, wie liebens- und lebenswert unsere Heimatstadt ist und als Ort für Leben, Arbeiten und Wohnen für junge Menschen, für Rückkehrer und Neuzugezogene wird.
Es ist der Bereich, der für eine solidarische Stadt, für ein funktionierendes, aktivierendes Gemeinwesen so wichtig ist, aber leider in seiner Wertschöpfung so schwer messbar und in seiner Kostenlast so auffällig ist.
Ja, der Fachbereich 3 benötigt dringend personelle und fachliche Unterstützung. Genügend Stellen und freie Schreibtische gibt es.
Ich beende das jetzt an dieser Stelle, da ich weiß, dass ich Sie in den Haushaltsberatungen schon mit der thematischen Aufzählung der von mir und meiner Fraktion vermissten Schwerpunktsetzung mehr als genervt habe
und weil ich weiß,
dass dieser mein Vortrag Ihre Zustimmung, Herr Bürgermeister, und die der Mehrheit des Hauses hier nicht treffen wird.
Dass wir als Linke und Teil der demokratischen Mehrheit dieses Hauses die Stadt deutlich anders als Sie führen und gestalten würden, wissen sie.
Dass wir davon überzeugt sind, dass dies der bessere Weg in Fürstenwaldes Zukunft ist, ist in der Sache logisch.
Dass sie vom Gegenteil überzeugt sind, ebenso.
Und ich höre auf damit, weil mir klar ist, dass z.B. Sie, lieber Herr Fischer, in ihrer direkten Erwiderung vortragen würden,
- dass der Haushalt dieser Stadt für all das keinen finanziellen Rahmen hat, keine Möglichkeiten und Ressourcen vorhanden sind und überhaupt
- alle daran schuld sind, die entweder durch ihre Verwaltungsbürokratie die Stadt (besser den Bürgermeister) am engagierten Handeln hindern, die durch ihre Politik in der Vergangenheit die Möglichkeiten der Stadt so stark eingeschränkt haben und
sie leider im Moment nur die Möglichkeit haben, im Hier und Heute Elend zu verwalten, statt Zukunft zu gestalten

